Botschaft des Präsidenten,

Mauricio Lopez

an die Delegierten des WeltVersammlung in Buenos Aires 2018 (in Auszügen)

Der Text enthält wesentliche Passagen der Botschaft des Präsidenten an die GCL. Die nicht übersetzten Teile sind entweder rein organisatorischer Natur (Danksagungen in Teil II) oder inhaltlich sehr komplex und für deutsche Leser nur von begrenztem Interesse.

Die Rede in englischer, spanischer und französischer Sprache unter folgender Adresse zu finden:

http://assembly.cvx-clc.net/en/archivos/545

"Ich habe keine Angst vor der neuen Welt, die am Entstehen ist. Ich befürchte eher, dass die GCL dieser Welt wenig oder nichts zu bieten hat, wenig oder nichts zu sagen oder zu tun, was unsere Existenz rechtfertigen könnte. Wir wollen uns nicht für unsere Fehler rechtfertigen, aber wir wollen auch nicht den größtmöglichen Fehler von allen begehen: mit verschränkten Armen zu warten und nichts zu tun, aus Angst, uns zu irren“

Pedro Arrupe, s.J. (für die GCL verändert)

I. Der Zugang: Die Betrachtung von der Menschwerdung

Ich wollte diese Überlegungen mit diesem Satz von Pedro Arrupe beginnen, die meinen Dienst und meine Sendung  auf diesem wunderschönen Weg der GCL am meisten geprägt haben.

Ein klarer, kraftvoller und prophetischer Satz, der uns in Frage stellt, uns mitten in die Welt stellt und dazu aufruft, mit den größten Gnaden zu antworten, die uns in der GCL gegeben wurden.

Wir (GCLer) bilden ein prächtiges, vielfältiges  Mosaik, das sich im Herzen Gottes widerspiegelt und in seiner Hand geschrieben steht. Er liebt unsere Vielfalt an Farben, Formen, Traditionen, Alter, Erfahrungen, kulturellen Identitäten, geistlichen Wegen und er möchte uns so, wie wird sind, um an seiner Menschwerdung teilzuhaben.

Das Zentrum unserer Identität und die Quelle unserer Berufung liegen zweifellos in der Betrachtung von der Menschwerdung. Unsere Entscheidung für die GCL ist die Frucht des Rufs des Hl. Geistes, am Werk Gottes teilzuhaben, ein Werk zu dem wir berufen sind, das uns aber nicht gehört. Deshalb müssen wir unsere Schuhe ausziehen, um diesen heiligen Boden zu betreten (Ex 3,5).

In unserer Identität als GCLer ist das Wesentliche der Glaube an Gott, der aus Liebe Mensch wird und uns einlädt, an diesem Werk mitzuwirken.

Ich lade euch nun ein, euch innerlich vorzubereiten, um in diesen wunderschönen und aufregenden Prozess einzutreten. Er beginnt nicht erst heute, sondern gehört zu einem wunderschönen Prozess der andauernden Offenbarung Gottes an die GCL in den letzten 50 Jahren und ist zugleich die Weiterführung der 450 Jahre der ignatianischen Laiengemeinschaften.

Er gehört auch zum Weg, den wir in den letzten fünf Jahren seit dem Welttreffen im Libanon bis heute in Buenos Aires gegangen sind. Schließen wir einen Moment lang die Augen und bitten wir um die innere Erkenntnis der Gnade der Menschwerdung Gottes in der GCL. Erinnern wir uns an all die konkreten Gesichter, die unserer Identität als GCL heute Sinn verleihen.

Beten wir zum Beginn dieses Welttreffens  mit der Präambel der Allgemeinen Grundsätze:

Im Blick auf
die in so viel Sünde und Spaltung lebende Menschheit
entscheidet der dreieinige Gott,
sich allen Menschen ganz hinzugeben
und sie von all ihren Fesseln zu befreien.

 

Aus Liebe ist das Wort Mensch geworden,
geboren von Maria, der armen Jungfrau aus Nazaret.
 
Jesus,
der unter den Armen lebt und ihre Situation teilt,
lädt auch uns alle ein,
uns ständig Gott hinzugeben
und innerhalb der Menschheitsfamilie
Einheit zu stiften.
 
Diese Hingabe Gottes an uns
und unsere Antwort dauern bis zum heutigen Tag an
durch das Wirken des Heiligen Geistes
in unseren jeweiligen Lebensumständen.
 
Darum haben wir,
Mitglieder der GEMEINSCHAFT CHRISTLICHEN LEBENS,
uns diese Allgemeinen Grundsätze gegeben.
Sie sollen helfen, uns das zu eigen zu machen,
was Jesus Christus am Herzen liegt,
und so durch Ihn und mit Ihm und in Ihm
an Seiner liebenden Initiative teilzunehmen,
in der sich Gottes Zusage immerwährender Treue ausdrückt.

II. Ein Zeichen tiefer Dankbarkeit

Teil II enthält Danksagungen an die Personen und Gemeinschaften, die sich in der Vorbereitung und Durchführung des Welttreffens engagiert haben.

III. Die Herausforderung eines Kairos in der Kirche

 Als Kirche und GCL erleben wir gerade einen „Kairos“. Ein Kairos ist der Moment, den Gott wählt, um in besonderer Weise anwesend sein und uns Licht für unseren Weg zu geben. Dieser besondere Moment geht über unsere Anstrengungen und Erfolge hinaus, ja sogar auch über unsere Grenzen und unsere Schwächen. Dieser „Kairos“ lädt uns darüber hinaus ein, uns von der Wirklichkeit immer mehr berühren zu lassen und auf sie eine Antwort zu geben. So können wir als ignatianische Laiengemeinschaft – so hoffe ich – Geschenk für die Kirche und die Welt sein.

Dieser Kairos hat nicht mit der chronologischen – in sich begrenzten - Abfolge unseres Lebens zu tun. Daher müssen wir uns von den ungeordneten Bedürfnissen befreien lassen, alles zu kontrollieren, zu vermessen und zu beherrschen. Lassen wir Geist Raum, damit er auf Seine Weise in unserer Mitte wirken kann.

Dieser besondere Moment den wir als Kirche und Menschheit erleben, kann nur mit dem Blick des Glaubens und Hoffnung verstanden werden. Er kann für  die GCL eine (einmalige)  Gelegenheit sein oder aber ein flüchtiges Ereignis werden, wenn wir versuchen, ihm unser eigenes Gesicht aufzudrücken und ihn nur von unserer eigenen Perspektive her zu interpretieren.

(…)

Irgendwann, nachdem ich leidenschaftlich über diese "kairós" Gottes gesprochen hatte, wurde ich um mehr Präzision gebeten, fast eine akademische Erklärung. Um diese wichtige Frage zu beantworten, die ich nicht in Worte fassen kann, wandte ich mich an die beste Theologin, die ich kenne, und bat sie, uns ein Video mit einer klaren, systematischen, doktrinären und eschatologischen Erklärung von diesem "kairós" zu schicken. Ich bin mir sicher, dass wir nach dieser Präsentation keine Fragen mehr haben werden. Lasst uns all unsere Aufmerksamkeit auf den Reichtum  dieses „Kairos-Lehrstuhl“ richten: https://www.youtube.com/watch?v=3t2thKiXkEk

Besser kann man heute „Kairos“ nicht erklären. Es ist ein Geheimnis, eine Erfahrung Gottes. Es ist die Erfahrung, die Bewegungen in unserem Inneren nicht in Worte fassen zu können und doch alles mit einem Blick auszudrücken. Es die erste Erfahrung der unaufhaltsamen Kraft Gottes in unserem Inneren, es ist die Schönheit in den einfachsten Dingen, es ist die Sehnsucht, es in uns aufzusaugen und zu spüren, auch wenn unser Herz  schon fast überläuft. Es ist ein inneres Feuer, das uns immer mehr antreibt. Diese „Theologin“ liefert eine eloquente Darstellung des „magis“ für uns alle, die wir aus der ignatianischen Spiritualität leben. Es ist die so tiefe Erfahrung Gottes, das wir nur noch in der Liebe leben wollen. Es ist die Erfahrung, nach Exerzitien alles neu zu sehen, obwohl sich scheinbar nichts verändert hat. Es ist die innere Fähigkeit, den feinen Klang der Stimme Gottes zu erkennen.

Wenn wir nicht sehen, was in der Welt, in der Kirche und unserer eigenen GCL geschieht, was ein Zeichen für diesen "kairós" ist, dann müssen wir zu dieser Perspektive des Glaubens zurückkehren. Es bedeutet, trotz aller Verzweiflung zu glauben, es ist der Non-Konformismus der Hoffnung, der uns für das Reich Gottes arbeiten lässt, das zugleich schon da und noch nicht da ist. Es bedeutet, die GCL zu lieben, weil sie eine Quelle des Lebens ist, die uns zur Begegnung mit der Wirklichkeit führt und dazu anregt, die Schätze unserer Spiritualität an den Grenzen, wo auch immer sie sein mögen, zu teilen. Es bedeutet in der Hoffnung mitzuschwingen, die die Worte und Visionen von Papst Franziskus in weckt und zu erkennen, dass es unsere Sendung ist, uns dafür einsetzen, das sie Wirklichkeit werden mögen.

Es bedeutet, dass wir uns bewusst machen, dass der Same, den der Hl. Geist vor über 50 Jahre im Zweiten Vatikanischen Konzil säte und der für unsere eigene GCL-Geschichte eine Quelle des Lebens wurde, nun konkrete Früchte bringen kann. Damit können wir nun losgehen – denn jedes stehende Wasser wird trübe. Es ist an der Zeit, das wir als Weltgemeinschaft an diesem Kairos unterscheiden, wie unser GCL-Weg weitergeht und dafür sind wir nun heute hier.

IV. Unsere Absichten läutern lassen:  Die GCL – eine Gabe für die Kirche und für die Welt?

 Die GCL ist eine Gnade für unser Leben und wir erleben sie als ein Geschenk Gottes. Deswegen möchten wir etwas betonen, das von großer Wichtigkeit ist und das man aus den Augen verlieren kann: Die GCL ist ein Mittel zum Zweck, kein Ziel an sich. Sie ist ein gutes und schönes Mittel zum Zweck, in dem wir – auch in Momenten großer Finsternis viel Freude und viel Hoffnung finden, es sie bleibt ein Mittel zum Zweck.

In der Welt von heute, die von materiellen und existentiellen Verletzungen geprägt ist, glauben manche Personen – aufgrund der Erfahrung der Kraft und des Reichtums des Gemeinschaftslebens der GCL – dass sie eine Oase ist, die sie aus ihrer belastenden Lebenswirklichkeit rettet und dass sie damit das Ziel des Weges ist. Die GCL hingegen möchte – in der Treue zu der Tradition der ignatianischen Exerzitien – uns von unseren ungeordneten Abhängigkeiten befreien und uns helfen, den Willen Gottes für unser Leben zu entdecken. Das Ziel dieses Weges ist die innere Erkenntnis Jesu Christi und seiner Sendung, um ihn mehr zu lieben, ihm mehr zu dienen und ihm an die Grenzen, zu den Ausgestoßenen zu folgen.

Ich erlaube mir, Ihnen vier Anhaltspunkte vorzustellen, die uns helfen, auf den Ruf zu antworten, eine Gabe für die Kirche und für die Welt zu sein.

Anhaltspunkt 1: Drei Versuchungen, denen wir uns als GCL stellen müssen

A. Selbstbezogenheit

Die Identität unserer Gemeinschaft nur auf der Basis unserer eigenen, spezifischen Erfahrungen zu definieren – so wertvoll sie auch sein mögen.

Dies kann uns das daran hindern, das Wesentliche unserer Berufung zu sehen: nämlich mit am Reich Gottes zu bauen, mit der Kirche zu fühlen und auf das Schrei der Wirklichkeit reagieren. Unsere Erfahrung als Gemeinschaft spiegelt die Offenbarung Gottes wider und lädt uns somit ein, alles Neue, das wir erleben vom Evangelium aus zu betrachten,.

Daher sollten wir unsere Dokumente und unsere ignatianischen Werkzeuge nur als Mittel verwenden, die uns zum größeren Ziel führen können.

B. Selbstsicherheit

Zu glauben, dass das, was wir bereits haben und bereits tun, alles ist, was wir erreichen können.

Zu denken, dass unsere Weise, den auf Christus ausgerichteten geistlichen Weg zu leben nur zu unserem eigenen Wachstum oder dem einer kleinen Gruppe dient oder dass sie nur zur Vertiefung des eigenen Glaubens führen soll, die uns gleichzeitig aber isoliert. Wir müssen die Versuchung überwinden, in unseren Gemeinschaften in der Dynamik der ersten Woche der Exerzitien  verhaftet zu bleiben.  Vielmehr müssen wir in die zweite Woche eintreten, in den Unterscheidungsprozess, der in der tiefen inneren Beziehung zu Christus wurzelt. Wir müssen in der dritten Woche dem Herrn bis ans Kreuz folgen. Ohne diesen vollständigen geistlichen Weg können wir nicht die ganze Fülle unserer Berufung leben, die wir in der vierten Woche finden, nämlich die Betrachtung zur Erlangung der Liebe.

C. Selbstgenügsamkeit

Zu meinen, dass wir uns selbst genügen und dass es nichts außerhalb unserer eigenen Gemeinschaft gibt. Dies ist eine große Versuchung, denn sie würde uns daran hindern, das Antlitz des gekreuzigten Herrn in der Welt zu entdecken, das von uns verlangt, aus uns selbst hinauszugehen, um ihm zu begegnen.

Unsere Spiritualität ist zutiefst eine Spiritualität der Menschwerdung.

Anhaltspunkt 2: Drei Haltungen, die aus dem „Fühlen mit der Kirche“ erwachsen

A. Kollegialität

Miteinander in einen wirklichen Dialog treten, um die gemeinsam die wesentlichen Aspekte unserer Sendung herauszuarbeiten.

Gemeinsam festlegen, was nicht verhandelbar ist.

Die Vielfältigkeit der Stimmen respektieren, verschiedene Positionen einnehmen, die uns bereichern  und die „Unterscheidung in Gemeinschaft“ als einzig mögliche Vorgehensweise bestätigen, um unseren gemeinsamen Weg zu finden.

B. Synodalität

Gemeinsam in die gleiche Richtung gehen. Die richtigen Mittel finden, um die enorme Vielfalt der Lebenswirklichkeiten zu respektieren. Einen angemessene Rhythmus finden, um beharrlich auf unser größeres Ziel zuzugehen, auf das, was Gottes Vision für uns ist.

C. Gemeinschaft

Zutiefst die Erfahrung Gottes in  Gemeinschaft leben.

Wir können nur dann miteinander auf dem Weg und uns austauschen, wenn wir die Erfahrung Gottes als das Element erleben, das uns vereint, zusammenhält und uns hilft, all die Schwierigkeiten zu überwinden, denen wir in einer so vielfältigen Gemeinschaft wie der unsrigen begegnen. 

Anhaltspunkt 3: Haltungen, die  wir gegenüber der Welt einnehmen können

A. Metanoia (Umkehr)

Eine radikale Bekehrung des Herzens.

Nur wenn jemand von innen her verwandelt wurde, kann er auf den Ruf Gottes mit seinem ganzen Wesen Antwort geben. Es geht darum, in das Innerste unserer Wesens zu gehen und sich ganz verwandeln zu lassen, um dann dem Willen Gottes zur Verfügung zu stehen.

In der Welt von heute ist es wichtig, zur Wurzel zurückzukehren, einen Sinn zu finden, unser „Prinzip und Fundament“ anzunehmen, damit alles andere Orientierung finden kann.

B. Alterität (Bezogenheit auf den anderen)

Erkennen, dass das Geheimnis des Lebens und die konkrete Gegenwart Gottes nur durch die Augen des anderen erfahren werden können. Erkennen, dass meine Berufung zum Leben in Fülle nur gemeinsam mit anderen Sinn hat, niemals alleine. Der tiefste Sinn unserer Gemeinschaft liegt in diesem Satz: Man kann als einzelner die Erfahrung Gottes machen, aber man kann sie in dieser Welt nur in der Gemeinschaft mit anderen in vollkommener Weise leben.

C. Parrhesia (Offene Rede)

Es ist die Gabe die Prophetie, die Gabe, klare und deutliche Worte zu sprechen und vor allem die Gabe, aus uns selbst hinauszugehen, um mit Mut auf das zu antworten, was Gott von uns verlangt. Es ist eine Weise, Christus nachzufolgen, die zu einer Liebe führt, die sich mehr in Taten als in Worten zeigt.

Anhaltspunkt 4: Drei wesentliche Haltungen, die sich aus den Forderungen von Papst Franziskus ergeben

A. Barmherzigkeit

Ein Herz zu haben, das sich von der Erfahrung der Schmerzen anderer berühren und formen lässt. Das ist der wesentliche Punkt einer KULTUR DER BEGEGNUNG, die nur dann zustande kommt, wenn wir das Leiden, das andere trifft, selbst in aller Tiefe spüren und aus dieser Erfahrung heraus eine Haltung entwickeln, die den anderen umarmt, ihn annimmt und eine tiefe Verbindung zu ihm entstehen lässt.

B. Pastorale Umkehr

Es ist der Aufruf zu einem wahrhaftig missionarischen Aufbruch, aus uns selbst herausgehen, um die Freude des Evangeliums zu erfahren, die alle, die Jesus begegnen, verändert.

Es ist die Freude mit Christus neu geboren zu werden und so der Kirche ein neues, missionarisches Gesicht zu geben. So kann sie den Auftrag Gottes erfüllen, aus sich selbst hinauszugehen und ist von dem Wunsch beseelt, vom Geist Gottes getragene Verkünderin der frohen Botschaft zu sein. (Apostolisches Schreiben: Evangelii Gaudium)

C. Sozio-ökologische Umkehr

Es bedeutet die endgültige Eingliederung des Schreis von unserer Schwester-Mutter-Erde und der dringende Appel an die Kirche und an alle Bewohner des Planten, für das gemeinsame Haus Sorge zu tragen. Die Anerkennung unseres Versagens in Bezug auf die Umwelt ist kein zusätzliches Element, sondern ein zentraler Appell der Katholischen Soziallehre.

Es ist der Appel, anzuerkennen, dass wir in einer sowohl ökologischen als auch sozialen Krise stehen und einer ganzheitlichen Ökologie ins Leben zu rufen, die alle Dimensionen der Ökologie mit einschließt: die soziale, die politische, die menschliche Dimension ebenso wie die Dimension der Umwelt, der Kultur, des täglichen Lebens, der Spiritualität der Fürsorge für die Umwelt. (Enzyklika Laudato si)

Diese drei grundlegenden Haltungen können eine Antwort auf unsere Berufung zur Heiligkeit in der Welt von heute sein, ein Ausdruck unserer Identität als Laien. (Apostolisches Schreiben: Gaudete et Exsultate)

 

 V. Ich bin Zeuge der Menschwerdung, des Lebens, des Sterbens und der Auferstehung des Herrn inmitten unserer Gemeinschaft

 Eines der größten Geschenke, die ich als Mitglied der GCL und durch meinen Dienst für die Gemeinschaft auf lokaler, regionaler, nationaler und auf Weltebene erhielt, war die Gelegenheit, Zeuge zu sein. Mit allen Sinnen konnte ich das Werden des Reiches Gottes wahrnehmen: meine Augen haben es gesehen, meine Ohren es gehört, meine Hände es berührt. Ich habe meinen Herzschlag gespürt in der Begegnung mit den vielen Lebenserfahrungen, mit der Lebendigkeit der GCL in den schwierigsten Situationen unserer Welt. (…) Einige Erfahrungen von vielen, die zeigen, was unsere GCL ist und sein will, möchte ich mit euch teilen:

Ich habe mit meinem eigenen Körper die Gegenwart Jesu in den offenen Armen gespürt, die die  GCL Kongo und Ruanda Aidswaisen und HIV-Infizierten Jugendlichen und Erwachsenen entgegenstreckte. Jeder GCLer, der sie mit ganzer Kraft umarmte, war wahrhaft Christus, der ihr Leben umarmt. Alles wurde somit anders für diese verachteten und ausgeschlossenen Menschen an den Orten, in die niemand mehr freiwillig hinging.

Ich habe Christus gesehen, wie er geduldig und lächelnd in der Hope-Scool in Süddkorea saß und die traurigen Geschichten von verletzten Jugendlichen anhörte, die als Kindern von Einwanderern verachtet werden oder die wegen mangelnder Unterstützung große Schulschwierigkeiten haben. Ich traf Christus auch, als die GCL mit großer Professionalität die Leitung einer Grund- und Sekundarschule in Hongkong übernahm (Marymount School) und dort versuchte,  mit den Schülerinnen und Schülern die Botschaft vom Reich Gottes und der Bewahrung der Schöpfung zu leben.

 Ich habe Christus gesehen, der alle Sicherheiten aufgegeben hat und sich in das Amazonasgebiet hineinwagte. Er blieb dort, um junge Menschen zu begleiten und ihnen die ignatianische Spiritualität als einen neuen Weg angesichts so vielen Gesichter des Todes zu zeigen. Ich habe gesehen, wie  er sich mit der GCL in zutiefst verletzliche aber auch gewalttägige Gemeinschaften hineinbegab und dort in einer sehr zerbrechlichen Gemeinde pastorale Arbeit und Bildungsarbeit machte. Ich habe gesehen, wie er mit dem Kanu zu indigenen Gemeinschaften fuhr und dort den Samen Gottes in örtlichen Kulturen entdeckte.

Ich habe Christus gesehen, der Mensch wurde in der GCL von Chile, Paraguay, Mexiko, Spanien, Malta und an anderen Orten, wo er den Mut fand, mit den Menschen und Gruppen zu sprechen, die aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden, wo er sexuelle Vielfalt als ein Teil der Lebenswirklichkeit annahm, wo er mit unseren ignatianischen Methoden unzählige verletzte und gebrochene Herzen begleitete, die so oft von der Kirche selbst ausgeschlossen worden waren. Hier traf er auch die, die - auch in seiner eigenen Kirche – Kritik äußern  aber bleibt sicher, dass sein Vater ihn gesandt hat, um an der Seite der zerbrochensten und ausgestoßensten Menschen zu stehen. Er unterstützt auch die traditionellen Familien und die Familienpastoral an unterschiedlichen Orten. Aber er sieht auch die Notwendigkeit die unterschiedlichen Lebenswirklichkeiten der Familien zu akzeptieren und ihnen mit Offenheit, Akzeptanz und Mitleid zu begegnen.

Ich habe ihn in Europa gesehen, wo er alle Unterschiede zwischen den einzelnen Nationalitäten hinter sich ließ und die immense Ausstrahlung seines Wesens zu erkennen gab, als in dem Projekt in Ragusa Menschen aus Afrika willkommen hieß, die ohne jede Habe an den europäischen Ufern ankamen. Ohne Sicherheit, ohne Unterstützung, ohne Hoffnung, ohne auch nur einen Menschen zu kennen, manchmal nachdem auf der Überfahrt Angehörige verstorben waren. Dort wollte Christus auf diese Männer und Frauen warten, mit der GCL umarmt er sie und hört ihnen zu. Vor allem aber ändert sein eigenes Leben und seinen Blick auf die Menschen, die vorher „Fremde“ waren und nun seine Brüder und Schwestern wurden.

Ich habe die Gegenwart Christi in den schwersten Momenten des Kriegs in Syrien gespürt, als er – in Augenblicken ohne jede Hoffnungen – sich entschied, mit der Hilfe der Weltgemeinschaft und mit der entschiedenen Unterstützung seines Nachbarlands Libanon weiterzuleben. Er hat es geschafft, seine Familie und andere Menschen zu ernähren und heute möchte er aus der ignatianischen Spiritualität Kraft schöpfen, um diesen schier endlosen Krieg einen Sinn zu geben und die inneren Wunden zu verbinden.

Ich habe ihn auch in den USA und in Kanada getroffen, wo er eine wirkliche Liebe für die ganze Schöpfung wecken wollte, eine wirkliche Berufung in der Sorge um das „gemeinsame Haus“. Auch wenn man es nur schwer glauben kann: Ich habe einen Christus mit einem GCL-Abzeichen bei den Vereinten Nationen gesehen, der dafür kämpfte, dass die unsensibelsten und taubsten Regierungen der Welt den Schrei der schwierigsten Lebenswirklichkeiten hörten und nach strukturellen Veränderungen sucht.

Ich weiß, dass er an vielen Orten in unserer Gemeinschaft mit uns auf dem Weg ist, in der Formation (Weiterbildung), in der Spiritualität, in der sozio-politischen Reflexion, im Wachstum im Glauben, im Engagement in Kirchengemeinden, im Dienst in der Kirche in unterschiedlichster Weise und vor allem in jeder Form des Alltags von Laien, den wir in der GCL finden. Ich bitte mit Nachdruck darum, das wir ihn erkennen, wenn er uns begegnet, und dass wir ihm nachfolgen und dass er immer die Mitte unserer Gemeinschaft sein möge. Vertrauen wir ihm im Hinblick auf die Frage „Wie viele Brote habt ihr?“, damit er uns auf unserem WDT in Buenos Aires führt und uns zeigt, wo er uns braucht, damit wir auf seinen Ruf antworten. 

Einige Hinweise, um diesen Kairos zu leben und unsere Gaben Gott als Geschenk darzubringen:

Auf meinen Reisen im Amazonasgebiet, einem Gebiet, in dem ich als Gläubiger und als GCLer viel Zeit verbracht habe, begegnen wir den verschiedenen indigenen Gemeinschaften, die wir besuchen, oft mit Erwartungen von außen, das heißt wir kamen mit einem Arbeitsplan, konkreten Zielen und einem Zeitplan, der unserer Bedürfnissen entsprach, um Ergebnisse zu erzielen, die unseren eigenen Kriterien entsprechen. Wie sehr wir uns geirrt haben! In Wirklichkeit haben unsere Schwestern und Brüder uns gelehrt, dass das Wichtigste die Begegnung, der tiefe Dialog und das Teilen unseres Lebens ist – ausgehend von dem, was jeder einzubringen hatte. Um unser Zeitmanagement einzuhalten, wollen wir in der Regel sofort mit den offiziellen Sitzungen beginnen. Auf unsere Frage, ob wir anfangen können, erhalten wir die Antwort: Wir fangen an, wenn der Moment gekommen ist. Mit anderen Worten: Wenn der Regen aufgehört hat, wenn wir uns über unser Leben ausgetauscht haben, wenn wir gegessen haben, was jeder mitgebracht hat, oder wenn Verwandte aus anderen Gemeinschaften angekommen sind…. Und das kann eine Stunde dauern oder fünf Stunden oder auch bis morgen. Von diesen Menschen, die ihr Leben tief im Wehen des  Heiligen Geistes verwurzeln, können wir so viel über den „Kairos“ lernen, über ein Leben in Fülle, das im Wesentlichen wurzelt.

So lade ich euch heute ein: Dass wir uns von der Gegenwart Gottes überfluten und überwältigen lassen, dass diese Gegenwart Gottes alles entscheiden möge, dass wir unsere eigenen oft rationalen Vorurteile und Erwartungen loslassen können, damit das Geheimnis Gottes den Rhythmus dieser Tage bestimmen möge. Handeln wir so, dass wir alles loslassen können, um den größten Schatz unserer GCL finden: Diesen Schatz für das Reich Gottes zu arbeiten, für Gerechtigkeit und größtmögliche Würde für jeden. Dies ist unsere größte Gnade, das Geschenk, das wir der Kirche und der Welt geben können.

Es geht darum: „ Die Liebe besteht In der Mitteilung von beiden Teilen her; das will heißen, dass der Liebende dem Geliebten gibt und mitteilt, was er hat, oder von dem, was er hat oder kann, und als Gegenstück dazu der Geliebte dem Liebenden.

(…). (Es geht darum,) um innere Erkenntnis der so großen empfangenen Wohltaten (zu bitten), dazu hin, dass ich in ganz dankbarem Anerkennen in allem Seine Göttliche Majestät lieben und Ihr dienen könne. Ich rufe die empfangenen Wohltaten der Schöpfung, der Erlösung und der besonderen Gaben ins Gedächtnis, indem ich mit großer Hingebung wäge, wie Großes Gott Unser Herr für mich getan hat. (EB 231, 233, 234, im Satzbau angepasst)

Lasst uns nun in dieses Weltdelegiertentreffen eintreten in dem Wissen, dass

  • die Tiefe wichtiger ist als die Form
  •  wir in unserem alltäglichen Leben aktiv am Reich Gottes mitwirken können: in dem, was leicht und einfach ist, ebenso wie im Komplexen und Schweren. Das ist wichtiger, als in wohlgefeilten Worten darüber zu sprechen. Es bedeutet unsere Berufung in dieser Welt vollständig zu leben und aus dem Leben als Gemeinschaft Nutzen zu ziehen.
  • wir sind berufen als GCL eine Gemeinschaft zu sein, die aus sich selbst herausgeht, die das Wesentliche ihrer Identität erkennt und pflegt. Eine Gemeinschaft, die aber auch überzeugt ist, dass Christus uns in seiner unwiderruflichen Gegenwart ruft, in seiner Gegenwart in all den Gesichtern, die am weitesten von uns entfernt sind. Ein Christus, der an den materiellen und existentiellen Rändern wohnt.

Mit diesen Überlegungen möchte ich alle Teilnehmer dieses Weltdelegiertentreffens auffordern, sich mit Entschlossenheit und innerer Freiheit nicht mehr als Delegierte einer Nationalgemeinschaft zu verstehen, sondern uns alle als einen GCL-Leib zu sehen. Und so mögen der Gott des Lebens und der Heilige Geist uns in diesen Tagen in Buenos Aires freundlich begegnen.

Wir möchten, dass dies ein gemeinsamer Entscheidungsprozess wird, in dem wir gemeinsam suchen, was der Heilige Geist uns für den weiteren Weg unserer Weltgemeinschaft zeigen will.

Lasst mich zur Vorbereitung einige  Hinweise aus dem Exerzitienbuch, der Grundlage unserer Identität, zitieren: 

  • Um den Willen Gottes in diesem Unterscheidungsprozess zu suchen und zu finden, müssen wir alle ungeordneten Neigungen aus unserem Inneren entfernen, mit anderen Worten alles, dass uns zerstreuen kann, das Distanz schaffen kann oder uns davon abhält mit Klarheit auf das zu hören, was Gott von uns möchte. (EB 1)
  • Wir suchen eine Haltung tiefer innerer und äußerer Verfügbarkeit, um diesen schönen und herausfordernden Augenblick in aller Tiefe zu leben. Lasst uns nun mit Großmut und einem weiten Herzen dieses Weltdelegiertrentreffen beginnen. (EB 5)
  • Wir bitten darum, dass wir den Heiligen Geist handeln lassen. Mit anderen Worten, dass der Schöpfer selbst das erste und letzte Wort für unsere GCL hat. Nicht mehr zu einem möglichen Ergebnis mehr bewegt zu werden als zu seinem Gegenteil, den Unterscheidungsprozess nicht zu einem bestimmten Ziel hin zu drängen, so genial es auch sein möge. EB 15)

Ich schließe meine Rede mit den genau den gleichen Worten, mit denen ich im Libanon meine vielfältige und bittersüße Aufgabe als Weltpräsident begonnen habe:

„Nichts ist praktischer als Gott zu finden,
das heißt, sich in absoluter, endgültiger Weise zu verlieben,
in was du dich verliebst, was deine Fantasie festhält,
das wird alles beeinflussen.
Es wird entscheiden, was dich morgens aus dem Bett holt,
was du mit deinen Abenden anfängst, wie du die Wochenenden verbringst,
was du liest, wen du kennst, was dir das Herz bricht,
und was dich mit Freude und Dankbarkeit staunen lässt.
Verliebe dich, bleibe in der Liebe, und das wird alles entscheiden.“

 

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