Predigt zur Feier des Ignatiustages und Abschlussmesse des Welttreffens der GCL 2018 in Buenos Aires – P. Herminio Rico SJ

  1. Die ganze Kirche feiert heute den Heiligen Ignatius! Ein Geschenk, das von der ganzen Kirche und für die ganze Kirche anerkannt wird ... Ignatius ist ein Mann der Kirche und ein Mann für die Kirche - und damit offensichtlich für die Welt! Überall auf der Welt, wo heute Gottesdienst gefeiert wird, wird seiner gedacht.

Wir können Ignatius nicht exklusiv nur für uns „buchen“, Exklusivrechte an ihm haben wir nicht... Vielleicht etwas Verantwortung für ihn...
Ja, aber wir sind doch ignatianisch, wir verstehen und handeln gemäß den Intuitionen und dem Weg des Ignatius‘ ... Er ist unser großes Vorbild!

  1. Wir sind Ignatianisch. Was bedeutet es, ignatianisch zu sein?

Bedeutet es, dass wir einfach nur sein Vermächtnis benutzen, die Früchte seiner Erfahrung ausnutzen, Erfahrung, die wir allein seinem Genie verdanken, seinem Genie, das diese Erfahrungen analysiert, systematisiert und damit anderen zugänglich gemacht hat?

Ja, das ist eine Art ignatianisch zu sein ... Wir machen Exerzitien, benutzen sie, um unsere Erfahrungen, unser Leben zu „lesen“, zu verstehen ... lernen von seinem Leben, durch seine Autobiographie, seine Briefe, seine Konstitutionen für die Jesuiten ...

Aber sind es wirklich nur die Früchte seines Lebens, die Ignatius ausmachen, die Exerzitien, oder vergessen wir dabei nicht, wie viel er suchen, kämpfen und leiden musste ...?

Also was ist das Ignatianische an Ignatius?

Ich möchte einen anderen Blick auf das Leben des Ignatius werfen ... Nicht nur auf die Abenteuer, auf seine Umkehr, auf die Ergebnisse, sondern auch auf die Zeiten, die lange Suche, die langweiligen Zeiten der Dürre, in denen scheinbar nichts geschah, die Dinge, die in einem Film über sein Leben auf wenige Sekunden reduziert würden.

Schauen wir uns doch mal seinen Lebenslauf an:

Geboren wird er 1491, aber erst 1521/22 also über 30 Jahre später, kommt es zur Verletzung und zur entscheidenden Wende vom Ritter und Edelmann zum Bettler und Pilger, welch lange Zeit ... Ignatius beschließt zu studieren, doch erst 1528 kommt er nach Paris und kann erst 6 Jahre – im Jahr 1534 - später sein Studium beenden. Während seines Studiums beginnt bereits die Bildung der Gemeinschaft, aber es dauerte die langen Jahre bis 1540 bis die Societas Jesu offiziell von Papst Paul III. genehmigt wurde.

Wir sehen lange Zeitabschnitte, es war nie eine geradlinige Entwicklung, kein Selbstläufer. Es war immer ein Suchprozess. Es gibt große Pausen, Zeiten der Unsicherheiten, des Suchens, des Wartens.

Was ist das Ignatianische: Die Früchte des Lebens des Ignatius, seine Errungenschaften oder der ganze Prozess ...?

Wie wir schon von P. Raffa gehört habe: Der Weg ist die wesentliche Erfahrung, aber auch das umgekehrte ist wahr: es gibt keine ignatianische Erfahrung ohne den Weg.

Der Weg ist die Erfahrung. Ignatius hatte eine sehr große Erfahrung und ist einen anspruchsvollen Weg gegangen. Der Weg ist die Erfahrung, aber auch ohne den Weg, das geduldige Gehen des Weges, gibt es keine wirkliche Erfahrung.

Ohne das Langfristige, die Ausdauer, die geduldige Vertiefung, die Krisen, die Momente der Verzweiflung, die Misserfolge, das Warten.

Der Prozess, die Suche und die Kämpfe sind zentraler Bestandteil des Ignatianischen.

Ein berühmter Satz wird häufig genutzt, um das Ignatianische auf den Punkt zu bringen „Gott in allen Dingen suchen und finden“ Aber wir übersehen sehr häufig das „Suchen“;  schätzungsweise bei über 90% aller Google-Ergebnisse zu „Gott in allen Dingen suchen und finden“, wird man – wenn man die Seite aufruft  - nur noch von „Gott in allen Dingen finden“ gesprochen. Das „Suchen“ wird einfach vergessen oder weggelassen. Aber wir dürfen nicht zu schnell über das „Suchen“ hinweggehen. Es bedarf der Anstrengung, der Arbeit…

Suchen und finden – erst beides zusammengenommen beschreibt die ignatianische Lebensweise.

In Ignatianischen gibt es keine Erfahrung ohne Weg!! Ein typisch ignatianischer Begriff ist „vertiefen“, nicht einfach nur antippen, kurz untertauchen.[1]

  1. Wenn wir uns also am Ende dieses Welttreffens fragen - wie sollen wir ignatianisch leben, unsere ignatianische Spiritualität vertiefen? Wie werden wir herausgefordert, dem treu zu sein, von dem wir sagen, dass wir es sind? Dann lautet die Antwort:
    Es ist Zeit aufzubrechen, zu gehen: Um zu teilen, was wir erlebt, gesehen, gehört, berührt und geschmeckt haben ... /

Aber um wirklich ignatianisch zu sein, müssen wir die Erfahrungen von hier vertiefen, erforschen, verarbeiten ... Bis jetzt haben wir die entscheidenden Themen nur angetippt, sind quasi nur kurz ins Wasser eingetaucht und wieder raus [2]- jetzt ist es Zeit, die Erfahrungen zu vertiefen.

Es darf nicht nur ein schneller Tauchgang gewesen sein, du musst nach Tiefe suchen, nach der tieferen Bedeutung, nach der versteckten Tiefe dieser Erfahrung, Du musst Dir dafür Zeit lassen, Dir Zeit dafür nehmen.

Der Weg war unsere Erfahrung. Aber unsere Erfahrung ist immer auch ein Weg ... Er beginnt, wenn die Aufregung endet ...

Jetzt ist es Zeit zu gehen und auf den Weg des Teilens und Mitteilens aufzubrechen, - aber es ist auch die Zeit, unsere Erfahrung weiter zu vertiefen.... Ohne Weg gibt es keine wahre Erfahrung und daher wenig zu teilen. Lasst uns gehen, um zu teilen - aber lasst uns dabei unseren Weg fortsetzen, lasst uns weiterhin unsere Erfahrung vertiefen!

Freie Übertragung ins Deutsche: N. Zink

 

[1] Anmerkung d. Übers.: im Englischen ein Wortspiel aus „deep“ und „to dip“.

[2] Hier wird mit der Doppeldeutigkeit von antippen und eintauchen/eingetaucht sein gespielt.

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