Predigt von Bischof Franz Josef Overbeck

Predigt im Festgottesdienst zum GCL-Gesamttreffen 

26. Sonntag im Jk A – Samstag, 30. September 2023, 19:30 UhrForum 1 / Haus Schönblick, Schwäbisch Gmünd 

Texte: Jes 55; Off 21,5-7; Ps 23; Mt 14,22-33.

Liebe GCLinnen und GCLer, liebe Schwestern und Brüder, liebe Gäste,  liebe Gemeinde!

I.

„Aus tiefen Quellen schöpfen – Aufbruch wagen“. So lautet das Motto des diesjährigen GCL-Gesamttreffens in Schwäbisch Gmünd. Es erinnert an eines der uralten Bilder, mit denen immer wieder in der Heiligen Schrift darauf verwiesen wird, dass der, der glaubt, ein Mensch ist, der aus den tiefen Quellen der Gottverbundenheit und Menschenliebe, der Tradition und ihrer Aneignung im Heute, wie auch aus dem Wirken des Heiligen Geistes schöpft, der der Garant dafür ist, dass der Glaube immer wieder der Glaube von heute ist, gestützt auf den Glauben unserer Vorfahren und offen für das spannende Abenteuer unserer Nachfahren. 

Zu den Quellen zu gehen, heißt immer wieder, sich auch zu erinnern und dem Ursprung nahe zu sein. Angesichts der großen Ströme, die es auf dem Erdkreis gibt, bewegen mich immer wieder ihre kleinen Quellflüsse und deren Quellen, die zeigen, dass aus Kleinem Großes, aus Bescheidenem Mächtiges und Beeindruckendes werden kann. Quellen haben zudem eine bedeutsame Eigenschaft. Sie sind erfrischend und geben Kraft, produzieren klares Wasser und zeigen an ihrem Beginn als Rinnsal nicht, welcher Strom aus ihnen werden kann bzw. in welche anderen Flüsse sie hineinströmen werden. 

Quellen haben immer die Verheißung des Anfangens und des Beginnens in sich. Quellen sind Orte sprichwörtlich von Neuem. Nicht umsonst wissen wir schon rein menschlich, dass wir unserer Herkunft als Quelle unseres Daseins viel verdanken, aber dass auch manches Gewicht, das wir mitzutragen haben, dort seinen Ursprung hat. Wir wissen zugleich, dass die Erinnerung an diese Quellen immer wieder Kraft gibt, auch nach einem zum Teil mühevollen Leben oder Lebensabschnitt neu anzufangen. Quellen sind Orte des Anfangens und des Beginnens. 

II.

Im Motto des diesjährigen GCL-Gesamttreffens heißt es deswegen auch passend, „Aus tiefen Quellen schöpfen – Aufbruch wagen“. Aufbruch ist Anfang. Aufbruch ist Beginn. Wobei das Anfangen mehr an den Mut erinnert, wirklich den ersten Schritt zu tun, also aus den Quellen schöpfend den Weg des Wassers zu verfolgen, während das Beginnen immer auch das Mittun an diesem Anfang als dynamisches Element unterstreicht. Wenn es beim GCL-Gesamttreffen um das „Aufbruch wagen“ geht, dann um deutlich zu machen, dass von hier aus Kraft ausgeht zu Neuem, mit dem wir anfangen, also einen Start setzen und uns zugleich in das Beginnen hinein verfügen müssen, also in das Weiterdenken und Weitertun. Von hier aus können wir an die vielen Aufbruchsgeschichten der Heiligen Schrift erinnern. 

Gleich zu Beginn der Hl. Schrift nach der Schöpfungsgeschichte ist es die große Aufbruchsgeschichte von Abraham, die bewegt, verbunden mit der Verheißung, dass trotz seiner damaligen, ihn bedrückender Kinderlosigkeit, er zu einem großen Volk würde, so zahlreich wie die Sterne am Himmel. 

Dieser Anfang (vgl. Gen 12,1 ff.) ist mit einem Aufbruch verbunden, der zeigt, dass, wenn Abraham nicht aus der Quelle seines Vertrauens auf Gott, seinen Schöpfer, geschöpft hätte, nicht die Kraft zum Aufbruch da gewesen wäre. Es ist ein Aufbruch aufgrund einer Verheißung. Aus dieser Verheißung kommt die Sicherheit des Abrahams, zum Segen zu werden (Gen 12,2-3). Dass danach eine Zeit von Wirrnis und unsicheren Wegen folgt und sich eine lange Reise bis in das Heilige Land anschloss, die ganz langen Atem und viel Zuversicht und Vertrauen in Gottes Führung nach sich zogen, sei ebenso erinnert, wie dass nach der Erscheinung Gottes bei Abraham (Gen 18), ihm schließlich Isaak geboren wird (vgl. Gen 21). Dem folgt das sicherlich größte Ereignis unglaublichster, verstörender und zugleich verheißungsvollster Natur, nämlich die Erprobung Abrahams auf dem Berg Moria (vgl. Gen 22). Christen sehen hier das Schicksal Jesu bereits vorgezeichnet, weil Abraham seinen Sohn opfern soll, um ein Bekenntnis zu seiner Gottesfurcht und Gottverbundenheit zu geben. Hier zeigt sich, was Aufbruch alles sein kann, sich nämlich ganz wegzugeben und neu anzufangen, damit der Beginn eines Weges zur Verheißung wird, die aus der Kraft des Gehorsams und des Hörens auf Gott und seine Verheißungen folgt. Nehmen wir Abraham mit dieser unglaublichen Aufbruchsgeschichte als Beispiel, dann sehen wir, wohin das Schöpfen aus der tiefen Quelle des Gottvertrauens führt und was Aufbruch heißen kann, nämlich bereit zu sein, alles Bekannte aufzugeben und abzugeben sowie sich ganz in die Hände Gottes fallen zu lassen, der sich wie ein Feuer zeigt, das leuchtet, wie es schließlich bei Mose und dem brennenden Dornbusch (Ex 3) erkennbar wird.

III.

Vor Jahren ist ein beeindruckendes Buch über die Geschichte der Marianischen Kongregationen und der GCL in Deutschland erschienen, das von Hedwig Schüttken zusammengestellt worden ist. Es trägt einen wunderbaren Titel, der lautet: „Vorwärts zu den Wurzeln“[1]. Darin wird erinnert, was Erneuerung eigentlich bedeutet, gerade angesichts der Geschichte der Marianischen Kongregationen seit ihren Anfängen 1563, auf die sich die GCL bis heute bezieht und ihre Umformung in die Gemeinschaft Christlichen Lebens ab dem Jahr 1967. 

In den „Allgemeinen Grundsätzen“ wird gesagt, wie es das damalige Weltdelegiertentreffen im Oktober 1967 in Rom formuliert hat, dass das Leben in der GCL eine persönliche Berufung voraussetzt, die ignatianischen Exerzitien als spezifische Quelle und charakteristische Mittel dieser Spiritualität ansieht, verbunden mit der Verantwortung für das Charisma der GCL bei den Mitgliedern wie auch bei jeder Entscheidungsbefugnis über die Mitgliedschaft bei ihnen. Schließlich ist der kirchliche Assistent Mitglied der Leitung auf Vorschlag der Gemeinschaft. 

Fassen wir dies zusammen, geht es um ein erneuertes, dem Geist des II. Vatikanischen Konzils verbundenes Verständnis der apostolischen Spiritualität des Ignatius von Loyola im Gewand der Gemeinschaft Christlichen Lebens in Verbindung mit einer praktischen Verwirklichung dieser Berufung im eigenen Leben durch dessen schrittweises Einüben, verbunden mit einer notwendigen Selbstprüfung und der Nutzung der dafür nötigen geistlichen „Lebensmittel“. Hier sind die Quellen beschrieben, aus denen, nach der reichen Tradition von 400 Jahren der Marianischen Kongregationen, die GCL ihren Anfang genommen hat. Diese Quellen für eine geistliche Laiengemeinschaft zu erinnern, zeigt, was es bedeutet, einen Aufbruch zu wagen. Er ist immer hineingestellt in eine Zeit, die Aufbrüche ermöglicht und unterstützt. Er braucht ein Bewusstsein für die historischen Quellen der Tradition, sowie den Mut, sich auf das Wirken des Hl. Geistes im Heute und Morgen einzulassen. 

IV. 

Dabei ist es notwendig, sich an die Dynamik der Exerzitien des hl. Ignatius von Loyola zu halten, die am Ursprung des Weges stehen. Es geht nämlich um eine missionarische Spiritualität, die deutlich macht, dass diese mit der Bereitschaft zum Aufbruch verbunden ist, wie das bei Ignatius und seiner eigenen Bekehrung und seinem Lebensweg der Fall ist. Das verbindet sich zugleich mit einer neugewonnenen Katholizität mitten in unserer Welt und unserer Zeit, sowie mit der Bereitschaft zur Vertiefung der eigenen Glaubenserfahrung, und zwar sowohl auf die eigene Person hin, als auch auf die Kirche als Ganze. Darin findet sich eine schon vom II. Vatikanischen Konzil im Missionsdekret deutlich werdende Einsicht, dass Mission Dialog, vor allem mit und in fremden Welten ist und zugleich einen unermüdlichen Dienst am Heil des ganzen Menschen und der Menschheit zu vollbringen ernst nimmt. So entwickelt sich ein Blick auf das, was den gesamten Weg der Kirche im Namen des Evangeliums angeht, nämlich mitzuwirken an der universalen Heilsgemeinschaft aller Menschen. Genau hier hinein müssen die Perspektiven der nächsten Schritte für die GCL in Deutschland liegen, nämlich aus tiefen Quellen eines solchen Selbstverständnisses zu schöpfen und einen Aufbruch zu wagen – verwurzelt in der Exerzitienerfahrung und in der Überzeugung von einer Sendung in die Welt. 

Anhand der Exerzitien gilt es, sich als Mensch des Aufbruchs im Glauben prägen zu lassen, der sich in Gott gegründet und von ihm durch Jesus Christus gesandt weiß. Es geht darum, mit Entschiedenheit und Willen diese Glaubenserfahrung mitten in der Katholizität der Kirche in aller ökumenischen Verbundenheit weiter zu vertiefen sowie existenziell und spirituell wirklich von Bedeutung sein zu lassen, weit über den rechtlichen und den lehrmäßigen (dogmatischen und fundamentaltheologischen) Rahmen hinaus. Der Blick muss auf die eigene Person, die Selbstevangelisierung und Umkehr aller Lebenspraxis gehen, sowie sich zugleich richten auf die Fragen nach einer weiteren kontextsensiblen Darlegung des Evangeliums für andere bzw. Vertiefung für die, die den Glauben schon angenommen haben und durch die Taufe und die anderen Sakramente in die Kirche eingegliedert sind. Berufung ist in diesem Sinne immer eine dialogische Berufung mit allen Welten, in denen wir heute leben und die sich oft weit von dem, was wir der Tradition verdanken, entfernt haben. Sich so zu den Quellen zu bekennen und Menschen am Heil, das von Gott kommt, teilhaben zu lassen, weit über den Raum der Kirche hinaus, das genau bedeutet doch, einen solchen Aufbruch zu wagen, wie ihn Ignatius gewagt und mit den entsprechenden „Lebensmitteln“ gestaltet hat, die sich in seiner Lebens- und Glaubenspraxis, in der Dynamik seiner Exerzitien und der Ernstnahme der Verbindung des eigenen Lebensweges mit dem ganzen Weg Jesu zeigt, schließlich bis hinein in das Geheimnis und den Untergang von Kreuz und Aufgang zur Auferstehung. Alles ist dabei natürlich nie ohne die Geistsendung und die Dynamik des Neuen, das anfangen muss und beginnen darf, zu begreifen. 

Auf diesem Wege ist es fast was providenziell, dass der wunderbare Titel der Chronik der MC/GCL in Deutschland lautet „Vorwärts zu den Wurzeln“. Dieser Titel verbindet paradox zwei Bewegungen, die nur im Geist zusammenkommen können, nämlich Menschen zu sein und sich immer tiefer mit Gott zu verbinden. Im besten Sinne des Wortes einen Anfang zu wagen durch einen Gang in die Tiefe und einen dynamischen Prozess des Beginnens zu leben, der in der Gemeinschaft der Kirche nichts anderes will, als Glaubenserfahrungen existenziell und spirituell zu vertiefen und so einen Dienst für andere und mit anderen zu tun. Auf diese Weise, so wird es Ignatius in seinem Exerzitienbuch sagen, gilt es, „den menschgewordenen Herrn mehr zu lieben und ihm nachzufolgen“ (vgl. Ignatius v. Loyola, Exerzitienbuch Nr. 104).

V.

Darum ist es verstehbar, dass wir in den Schrifttexten dieser Heiligen Messe mit Jesaja 55 an eine der großen österlichen Lesungen erinnern, die darauf hinweist, dass alle, die Durst haben, zum Wasser kommen sollen, auch die, die kein Geld haben. Ganz paradox wird dazu eingeladen: „Kommt, kauft Getreide und esst, kommt und kauft ohne Geld und ohne Bezahlung Wein und Milch“ (Jes 55,1). Einem solchen mutigen Anfangen folgt die Verheißung, zum Zeugen und zur Zeugin des ewigen Bundes Gottes mit den Menschen zu werden und eine Sendung zu haben, die weit über uns selbst hinausgeht in das Leben mit Gott und allen Menschen. Dabei spielt für den Propheten bereits im 5. und 6. Jahrhundert v. Christus die Gottsuche eine ganz entscheidende und große Rolle. So mahnt er: „Sucht den Herrn, er lässt sich finden, ruft ihn an, er ist nah!“ (Jes 55,6). Genau aus einer solchen Dynamik ist ein Vorwärts aus den Quellen der Wurzeln heraus bis zu dem Ziel möglich, das mit der 2. Lesung aus der Offenbarung des Johannes, also den letzten Texten der Heiligen Schrift, daran erinnert, dass wir uns auf den Gott verlassen, der sagt: „Seht, ich mach alles neu… Ich bin das Alpha und das Omega, der Anfang und das Ende. Wer durstig ist, den werde ich unentgeltlich aus der Quelle trinken lassen, aus der das Wasser des Lebens strömt“ (vgl. Off 21,5-7). Wenn genau diese Dynamik in die neue Welt Gottes hineinführt und auf die wir zugehen, wenn wir uns von den Wurzeln her ausstrecken auf das Leben, das uns nach vorne treibt, dann folgt daraus eine existentielle tiefe Christusverbindung. Christus ist immer als er selbst da, auch auf den großen Wellen des Lebens und in den Stürmen unserer Zeit (vgl. Mt 14, 24-25). Dass dabei das Lebensrettende vom unbedingten Vertrauen auf Jesus Christus selbst, in dem Gott als Mensch bei uns ist, abhängt, macht die innere Mitte des Evangeliums aus, das nicht einfach eine Wundergeschichte ist, sondern Ausdruck der Präsenz des Auferstandenen im Geist bei uns, die wir oft in den Stürmen unserer Zeit im Vertrauen und der Angstlosigkeit gestärkt werden mögen, wie sie am Anfang des Weges Petrus hat, der auf dem Wasser zu Jesus kommt (vgl. Mt 14,27-30). 

Auf diese rettende Kraft zu vertrauen, das bedeutet doch wirklich, bei der tiefsten aller Quellen angekommen zu sein, aus denen es die „Gemeinschaften Christlichen Lebens“ gibt und diese sich erneuern. In großer geistiger und geistlicher Freiheit aus dieser Quelle des Vertrauens mit der Verheißung des Werdens des Lebens durch Gott einen Aufbruch entstehen zu lassen, ist unser Auftrag und Weg. Genau diese spirituelle und damit auch menschliche Reife im Glauben wünsche ich der GCL und somit uns als Christen, die, vorwärts zu den Wurzeln, aus tiefen Quellen schöpfen und den Aufbruch wagen. Amen.


[1] Vgl. Schüttken, Hedwig, Gemeinschaft Christlichen Lebens in Deutschland, Vorwärts zu den Wurzeln. Chronik der MC/GCL in Deutschland, Echter Verlag Würzburg 1/2019.

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