Vortrag von Bischof Franz Josef Overbeck

Kirche und GCL: Gemeinschaft – Sendung – Teilhabe

Vortrag auf dem Gesamttreffen der GCL Deutschland – Samstag, 30. September 2023, 11:00 Uhr – Forum I von Haus Schönblick, Schwäbisch Gmünd

I.

Heute vom Miteinander und dem Einander der “Gemeinschaft Christlichen Lebens in Deutschland” und der Kirche zu sprechen, heißt diese Aufgabe in eine Wirklichkeit zu stellen, die uns alle, weit über den Raum der Kirche hinaus, bewegt. Dabei spielen besonders zwei Perspektiven eine wichtige Rolle, ohne die wir nicht von der Kirche und auch der GCL in Deutschland sprechen können. Es geht zum einen um unsere gesellschaftliche und politische wie alle Menschen bestimmende Lage, und zum anderen um den Missbrauchsskandal und seine Folgen, die noch lange wirken werden.

  1. Ohne anzunehmen und zu verarbeiten, was es heißt, dass alle Christen, die ca. die Hälfte der Bevölkerung unseres Landes ausmachen, Schritt für Schritt lernen müssen, zum ersten Mal in der Geschichte in der Minderheit zu leben und viele Menschen in keinster Weise mehr mit Gott und der Kirche rechnen und auf sie setzen, gibt es keine Möglichkeit, sich wirklich mit den Folgen dieser Realität auseinanderzusetzen und mit positiven Kräften darauf zu antworten. Hinzu kommt zudem, dass unsere Öffentlichkeit – je länger je mehr – alle Christen ökumenisch wahrnehmen (wollen) und weder bereit sind noch fähig, die jeweiligen Unterschiede zu sehen und zu akzeptieren. Das verändert die Lage der christlichen Konfessionen in ihrer öffentlichen Akzeptanz nicht nur nach außen, sondern auch nach innen. Die Mehrheit aller Christen kennt zwar ihre unterschiedlichen Herkünfte, akzeptiert aber bei weiten nicht die Folgen für das alltägliche Leben daraus!
  2. Der Missbrauchsskandal hat die katholische Kirche insgesamt in die Unglaubwürdigkeit gestürzt. Alle Aufarbeitungswege sind immer mit der Skepsis wahrgenommen worden, sich nicht wirklich verändern und erneuern zu wollen. Vor allem die innerkirchlich oft noch verbreitete These, der Missbrauch sei das Problem einzelner fehlgeleiteter Priester, wird aus praktischer Erfahrung in der jeweiligen Kirche vor Ort und wegen der Ergebnisse der MHG-Studie für falsch gehalten. Demzufolge erst recht ist auch die Aufarbeitung des Missbrauchs mit der Forderung nach einer grundlegenden Erneuerung der Kirche verbunden worden. Denn vor allem der Blick auf die Betroffenen und das Hören auf die Opfer lehren mit aller Macht, hier nicht nur sensibel zu sein, sondern wesentliche Veränderungen im Leben der Kirche zu realisieren, um solche Taten auf Dauer nach Möglichkeit zu verhindern und zu unterbinden. So auch ist es gekommen, dass sich die Kirche in Deutschland auf dem “Synodalen Weg” neben den Themen “Macht und Gewaltenteilung”, “Priesterliche Existenz” und “Leben in gelingenden Beziehungen” der großen Frage nach der “Frau in der Kirche” und den “Zugängen zum Amt” stellen musste und weiterhin muss. Alles ist zudem verwoben mit der radikalen Abnahme von Priester- und Ordensberufungen und einer Erosion des bekannten kirchlichen Lebens in Pfarreien, Gemeinden, Verbänden etc.!

Das muss gesehen und begriffen sein, um zu sehen, wie die Kirche in ihrer Gestalt und Struktur samt der biblischen, dogmatischen, rechtlichen, seelsorglichen und spirituellen Begründung in Frage steht und sich in unserem Land – und auf der Welt – erneuern muss.

Auf diesem Hintergrund ist es hilfreich zu fragen, was es für die Kirche heißt, wenn sie auf der kommenden römischen Synode fragt, wie sie als Gemeinschaft ihre Sendung leben und mehr Teilhabe leben und ermöglichen kann, indem sie ihrem eigenen Ursprung und ihrer Sendung darin treu bleibt.

II.

  1. Kirche verwirklicht sich als “Gemeinschaft”. Was heißt das für die GCL als “Gemeinschaft” von suchenden und überzeugten wie überzeugenden Katholiken? Besonders kommt es darauf an, den inneren Grund, der zusammenhält, immer wieder neu zu gewinnen. Dieser liegt bei der GCL in de Exerzitien des Hl. Ignatius verborgen, der innere und der äußere Weg des Lebens mit Jesus Christus, mit seiner Geburt, seinem Leben und seiner Verkündigung, seinem Sterben und seinem Tod wie seiner Auferstehung und Himmelfahrt wie der Geistsendung müssen in viele Exerzitienwegen immer mehr das werden, was der GCL ihren Halt und ihre Substanz verleiht. Demnach geht es unter dieser Rücksicht dann um die Wahl eines Lebens in der Nachfolge des Herrn darum, das zu wählen, was der größeren Ehre Gottes dient. “Ad maiorem Dei gloriam” ist dazu das sprechende und tragende Lebensmotto, das Tag für Tag mit Leben zu füllen ist. Angefangen bei der Eucharistie und den Sakramenten, der Hl. Schrift und der gemeinschaftlichen Wege bis hin zur Unterscheidung der Geister für jede und jeden Einzelnen und in Gemeinschaft, geht es um einen missionarischen Alltag von gläubigen Menschen in den Spuren Jesu und seiner Kraft, als Auferstandener immer wieder die, die ihm nachfolgen wollen, je mehr zum Einsatz in der Dynamik der Exerzitien zu motivieren.

    Dabei wird im Blick auf die Kirche als Gemeinschaft aller Gläubigen die Ökumene immer bedeutsamer. Wir werden zwar auf Dauer weiter in z.T. sehr unterschiedlichen Traditionen unterwegs sein, aber vor allem sehen, dass uns immer mehr verbindet, als uns trennt. Das Verbindende ist “der” Verbindende, nämlich der gekreuzigt Auferstandene, der uns ruft und sendet. Die Gemeinschaft mit Jesus Christus wird, bei aller Unterschiedlichkeit des Kirchenverständnisses und der Traditionen uns in unserem Kulturkreis mehr und mehr zusammenfügen. Die existentielle, weil spirituell tiefe Gemeinschaft mit dem Herrn wird uns leiten, dabei unsere inhaltlichen Fragen weiter im Geist zu beleuchten und in der Erkenntnis des einen Christus, der uns bindet und verbindet, zusammenwachsen zu lassen. Die Kirche als Gemeinschaft der Glaubenden wird immer mehr im Geist eine ökumenische sein. Das ist ein Weg, Kirche zu sein und zu leben – immer mehr auf die erfahrbare Einheit aller Christen zu. Hier liegt für die GCL als einer geistlichen Gemeinschaft ein Schwerpunkt ihrer Sendung gemäß des Wortes Jesu: “Ich will, dass alle eins sind” (Joh 17,21).
  2. Eng damit verbunden ist die Kirche als Gemeinschaft in der Sendung. Zu den ganz ursprünglichen Sendungen der Kirche gehört diejenige zu den Armen. Das erste öffentliche Wort Jesu im Lukasevangelium lautet: “Ich bin gekommen, den Armen das Evangelium zu verkünden” (Lk 4,18). In den Armen aller Art liegt die tiefste Sendung verborgen, die alle Christen haben. Gerade in Zeiten, in denen sich auch viele GCL-Gruppen nach ihrer Sendung fragen und oft genug bei sich und der kleinen inneren eigenen Welt stehen bleiben, ist diese Sendung existentiell – für die Gesandten, die von sich weg zu den anderen geschickt werden, und für die Adressaten dieser Sendung, denen geholfen werden soll und kann. Denn gerade so soll Jesus Christus bei den Menschen und in aller Welt zu bezeugt werden. Diese Sendung hat heute viel mit der Aufmerksamkeit und der Sensibilität für Opfer und Betroffene zu tun, denen unser Dienst zuerst gilt: den Betroffenen von sexualisierter und geistlicher wie anderer Gewalt, den Opfern von Armut, Not, Einsamkeit und Verlassenheit, von Krieg, Unfrieden und Gewalt vielfältigster Art.

    Gerade an diesen Orten kann auch der weite Atem des Hl. Geistes wieder spürbar werden, der weht, wo er will und die Augen öffnet für die, um deren will Gott in seinem Sohn als Mensch zu uns gekommen ist und uns erlöst hat von aller Selbstbezogenheit und Blindheit gegen die Nöte unserer Zeit. Diese Sendung macht Gemeinschaft erfahrbar und weitet den Erfahrungsraum der Kirche, die offen und gesandt ist zu allen.
  3. Wer in diesem Sinn die Gemeinschaft der Kirche auf dem Fundament einer persönlichen und einer mit vielen geteilten Christusbeziehung lebt und ökumenisch weit Kirche ist, weiß um die Sendung zu den Armen aller Art. Er sucht nach zahlreichen Formen der Teilhabe und Beteiligung an dieser kirchlichen Sendung, die zugleich weit darüber hinaus geht. Teilhabe bedeutet dabei für die GCL, sich ihrer so unterschiedlichen Charismen und Sendungen bewusst zu sein und zugleich auf den Heiligen Geist zu hören, der der Kirche sagt, was sie tun soll. 

    In unserer Kultur und unserem Land hat dies mittlerweile wesentlich mit der Frage der Teilhabe der Frau am Amt zu tun. Was in der Kirche sehr be- und umstritten ist, ist für viele in Deutschland eine Selbstverständlichkeit geworden, geprägt durch ein demokratisches Denken und Fühlen in der Öffentlichkeit und im gesellschaftlichen wie politischen Leben. Unterstützt werden diese Prozesse durch die Präsenz der protestantischen Kirchen. Von hierher verstehen viele nicht mehr, warum Frauen von besagten Ämtern ausgeschlossen bleiben. Die angebotenen Begründungen haben keine oder kaum noch eine Resonanz, auch dann nicht, wenn sie vom Lehramt der Kirche selber vorgetragen werden. Im Sinne der Unterscheidung der Geister als eines Charismas der GCL könnte es eine wichtige Aufgabe sein, hier weiter auf dem Weg zu bleiben und sich in dieser Zeit vor allem zu fragen, wie mit dem Diakonat aussieht, der bisher nur Männern übertragen wird. Hier braucht es viel Geduld und Zuversicht, aber auch die nüchterne Einsicht, dass gewisse Generationen diesen Weg noch mitgehen, die jüngere und junge Generation von Frauen und Männern dies aber bei weitem nicht tun und sich auch deswegen von der Kirche abwenden, weil dies mit ihrem alltäglichen Glauben, Tun und Lassen zusammenpasst. Diese Begründung der Abkehr sollte nicht zu klein geredet werden. Sie hat mittlerweile ein Gewicht, wie vor Generationen viele Gebote der Kirche hinsichtlich des Lebens mit dem 6. Gebot, die schlicht abgelehnt worden sind und zur Abkehr von der Kirche geführt haben. Wie immer, so ist dort auch viel Gutes beiseitegeschoben worden, was es sehr verdient hätte, von vielen gelebt und bezeugt zu werden.

III.

Die GCL kann also in die Kirche um der Gemeinschaft der Kirche(n) willen die Tiefe und Lebensnähe der Spiritualität der Exerzitien des Hl. Ignatius einbringen, um auf dem Fundament einer lebendigen Beziehung zu Jesus Christus für die Weite der Ökumene einzustehen. Diese wächst aus dem gemeinsamen Bekenntnis zum Herrn und vermag zudem die Sendung der Kirche zu den Armen aller Art auf ihre Weise zu vertiefen. Denn so können wir der Gefahr der unfruchtbaren Selbstbezogenheit mehr entrinnen und vor allem für die Betroffenen von sexualisierter, geistlicher u.a. Art von Gewalt da sein und eine wichtige Anwältin für deren Rechte und Anliegen werden. Schließlich zeigt sich auf diesem Wege in unserer Kultur, dass die ignatianische Gabe der Unterscheidung der Geister weiterhelfen kann, die Räume für eine vielfältige Teilhabe aller an den Sendungen und Ämtern in der Kirche ernsthaft weiter zu entwickeln. Der weite Raum des Diakonischen ist hier ein erstes wichtiges Feld.

In diesem Rahmen werde ich immer wieder gefragt, ob ich denn glaubte, dass so die Kirche wieder schneller wüchse. Das glaube ich für die nächsten Generationen aus den zu Beginn angeführten Gründen kaum bis nicht. Aber im Rahmen der Erneuerung der Kirche in einer nachsäkularen Zeit und nach den Abgründen des Missbrauchsskandals mit allen Folgen werden so mit diesen Schritten weitere Elemente sichtbar für eine Kirche des dritten Jahrtausends. Diese kann ihre erneuerten Kräfte für eine Evangelisierung einsetzen, die ihr heute aufgetragen ist. So kann dann weitergeschrieben werden, was das II. Vatikanische Konzil mit dem beiden großen Texten zur Kirche und zur Pastoral so ausgedrückt hat. Es geht darum, die Kirche als “Licht für die Völker“ (lumen gentium) zu begreifen, die ihr Licht selber von Jesus Christus hat, der gekommen ist, die “Freude und Hoffnung, die Schmerzen und Nöte” der Menschen von heute (gaudium et spes) zu den seinen zu machen und die Kirche zu senden, mit allen Menschen solidarisch zu sein. Das Ganze dient damit einem Ziel, das mit dem hl. Ignatius von Loyola verbindet: “Ad maiorem Dei gloriam – Alles zur größeren Ehre Gottes.”

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